Zusammenarbeit

«Kenia neigt zu Desastern», stellte das UN Entwicklungsprogramm UNDP vor Jahren lapidar fest und entschuldigte damit die Tatsache, dass Ostafrikas Powerhouse, das im Gegensatz zu den meisten seiner Nachbarn noch nie einen Bürgerkrieg überstehen musste, einige Entwicklungsziele der Vereinten Nationen trotz beachtlichen Wachstums nicht erreicht hat. Als wichtigstes Entwicklungshindernis müssen in dem Agrarstaat die häufigen Dürren gelten, die rund 70 Prozent der Landesfläche erfassen und dazu geführt haben, dass mehr als 3 Millionen Kenianer regelmäßig auf Hilfe zum Überleben angewiesen sind. Inwiefern demokratische Defizite und Versagen der Regierungen dafür mitverantwortlich sind, ist umstritten. Erstmals nach vielen Jahren kam es 2020 auch wieder zu einer Heuschreckenplage, obwohl sich gerade Kenia Dank seines Insektenforschungsinstituts mit Frühwarnsystemen und biologischen Pheromon basierten Abwehrmitteln hervorragend auf diese Bedrohung eingerichtet zu haben schien.

Doch auch Überschwemmungen, gewaltsame Auseinandersetzungen, Krankheiten, ausgelaugte Böden, Überbevölkerung und – kurz zusammengefasst – eine schwer überwindbare Spirale der Armut tragen dazu bei, dass die unter dem Obertitel «Halbierung der Armut» in Entwicklungsländern zusammengefassten Ziele, die MDGs, Millennium Development Goals, zum Teil verfehlt wurden. In Ergänzung zu den MDGs einigte sich die Weltgemeinschaft 2015 auf 17 für alle Staaten geltende Entwicklungsziele, die Sustainable Development Goals (SDGs), auch Agenda 2030 genannt, die wiederum in 169 Unterziele unterteilt sind und national und regional nachvollziehbar Umweltschutz, Armutsbekämpfung, Kampf gegen den Klimawandel und Einhaltung der Menschenrechte, Bildung,  Energieversorgung uvm. zum Ziel haben. Kenia hatte bereits 2008 eine Vision 2030 als Entwicklungsplan vorgelegt und ihn seit 2015 mit den SDGs in Einklang gebracht, zumindest auf dem Papier. Im Vorfeld hatte die Wirtschaftskommission der UN für Afrika (ECA) in einer regionalen Studie Entwicklungsdefizite Ostafrikas aufgezeigt, wie sie bespielhaft in drohenden Hungersnöten oder einer verheerenden Müttersterblichkeit in Kenia zum Ausdruck kommen. Das kontinuierliche Wirtschaftswachstum habe sich nicht umgesetzt in «human development», konstatierte die ECA zu Beginn des Jahrzehnts.  

Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass wichtige Fortschritte gemacht wurden und werden. So hat sich die Kindersterblichkeit bis 5 Jahre in Kenia bis 2017 auf 49,2 je 1000 Geburten massiv verringert (u.a. wegen der Verbreitung von Moskitonetzen), außerdem liegen die Einschulungs- und Alphabetisierungsquoten erfreulich hoch, auch der Zugang zu Wasser soll sich mancherorts verbessert haben. Doch der Mangel an sozialen Sicherungssystemen, fehlende Krankenversicherung und ein allgemein niedriges Durchschnittseinkommen von ca. 800 bis 900 US-Dollar im Jahr führen dazu, dass Kenia eher nicht auf Entwicklungsprojekte verzichten kann und viele Kenianer nicht ohne Nothilfe überleben können. 

Die offizielle Entwicklungshilfe (ODA) belief sich nach Informationen der OECD auf rund 2,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016, weniger als in den Vorjahren. Hinzu kommen dürften Entlastungen insbesondere im Rüstungs- und Verteidigungsbereich, die nicht unter die ODA fallen. Außerdem gibt es weltweit eine Unzahl an privaten Hilfsinitiativen für Schulen, Kliniken, einzelne Familien sowie die Überweisungen der Auslandskenianer in geschätzter Milliardenhöhe, die aus der ODA herausfallen. 

Zu den größten Gebern zählen die USA, die Weltbank, Japan, Frankreich, die Europäische Union und Großbritannien, das als ehemalige Kolonialmacht noch immer der wichtigste Handelspartner ist. Großbritanniens Partnerschaft mit Kenia war jedoch wegen wiederholter Korruptionsskandale auf der kenianischen Seite nicht immer ganz spannungsfrei. Der damalige britische Botschafter Sir Edward Clay hat 2004 einmal vorgerechnet, dass die Korruption in Kenia im Jahr in etwa so viel Geld verschlingt wie die Geber an Hilfe leisten. Lokale Medien verheimlichen den Bürgern nicht, dass ihr Land als das korrupteste in ganz Afrika gelte, noch vor Nigeria, doch entspricht die Angabe nicht dem Corruption Perception Index von Transparency International. Danach liegt Kenia im Korruptionswahrnehmungsindex 2019 auf Rang 137 (2018: 144), leicht verbessert, gehört aber weiterhin zum korruptesten Viertel der 180 erhobenen Länder. 

Gleichwohl ist Kenia als aufstrebende Volkswirtschaft und verlässlich zahlender Schuldner für das Geschäft der Entwicklungshilfe ein attraktiver Partner. Es dürfte einfacher sein aufzuzählen, welche Regierung und welche Hilfsorganisation nicht in Nairobi mit EZ vertreten ist als umgekehrt.

Vermutlich gibt es keine. Kenia hat mit seinem Masterplan Vision 2030 einen brauchbaren Anknüpfungspunkt für entwicklungspolitische Programme der Partner geschaffen, die sich über die Federführung bei einzelnen Schwerpunkten so verständigt haben, dass es für die kenianische Seite besser zu bewältigen ist. 

Deutschland leistete 2013 -2016 einen Beitrag von 138 Millionen Euro. So wurde signalisiert, dass

Deutschland ein großes Interesse an Entwicklung und Stabilität in Kenia hat. Schwerpunkte der Zusammenarbeit waren die Landwirtschaft mit einem Fokus auf Ernährungssicherheit und Widerstandsfähigkeit gegenüber Dürre, die Entwicklung des Wasser- und Sanitärsektors und die Unterstützung des Gesundheitssektors. Besonderen Wert legte und legt Deutschland zudem auf die Unterstützung guter Regierungsführung – insbesondere durch Korruptionsbekämpfung und die Verbesserung von Transparenz und Rechenschaftspflicht. 

2016 wurde für die Jahre 2017 und 2018 eine zweijährige Förderung in Höhe von 252 Millionen Euro vereinbart, davon 209 Millionen Euro auf Darlehensbasis. Nach Auskunft des BMZ wurde in den Regierungsverhandlungen vereinbart, den Schwerpunkt Wasser auslaufen zu lassen und parallel einen Schwerpunkt Berufliche Bildung aufzubauen. Bei den Regierungsverhandlungen 2018 sagte das BMZ dem Partner 62 Millionen Euro neu zugesagt, 45,9 Mio für die finanzielle und 16,1 Mio für die technische Zusammenarbeit – all das mit dem übergeordneten Ziel, mehr Beschäftigung zu schaffen. 

Im Einzelnen geht es neben der Reform des Wassersektors, die komplett in kenianische Hände übergehen soll, um die Förderung der reproduktiven Gesundheit, insbesondere die Senkung der verheerenden Müttersterblichkeit von 510 Toten auf 100.000 Lebendgeburten – das sind mehr als im viel ärmeren Mosambik – (Deutschland: 6/100.000) sowie um eine bessere Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte. Auch Dialog- und Konfliktmanagement stehen auf der Agenda. Als Leuchtturmprojekt wird das Wasserwerk von Nyeri hervorgehoben. Es wird seit Jahrzehnten von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit  bedacht und ist als einziges Projekt in der Region voll kostendeckend. Es gilt als gelungenes Beispiel für die Zusammenarbeit von KfW und GIZ unter der Steuerung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die KFW Entwicklungsbank ist mit mehreren Hundert Millionen Euro in Kenia engagiert und hat zahlreiche Pilotprojekte auf die Beine gestellt. 

Erfolgreich verlief etwa die Einführung von Krankenhausgutscheinen für werdende Mütter. 70.000 Frauen kauften die Scheine für umgerechnet 2 €; nicht alle lösten sie ein, doch wären sie im Fall von Komplikationen versorgt gewesen – ein Beitrag gegen die Müttersterblichkeit. Inzwischen erwägen deutsche und kenianische Partner die Einführung einer Krankenversicherung im größeren Stile. Beispiele der deutschen entwicklungspolitischen Bestrebungen in Kenia bieten u.a. folgende Organisationen, welche staatlich gefördert werden:

  • KfW Entwicklungsbank (German Development Bank) 
  • GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) 
  • AGIAMONDO 
  • Brot für die Welt 
  • Christoffel-Blindenmission 
  • Welthungerhilfe 
  • Malteser International 
  • KAS (Konrad-Adenauer-Stiftung) 
  • FES (Friedrich-Ebert-Stiftung) 
  • HBS (Heinrich-Böll-Stiftung) 
  • HSS (Hanns-Seidel-Stiftung) 
  • RLS (Rosa-Luxemburg-Stiftung)  

Weitere Initiativen

  • Kinderhilfsprojekt Shangilia in Nairobi 
  • Verein Apamoyo Qualifikation junger Handwerker 
  • Kinderhilfswerk Forever Kids Kenya in Mombasa 
  • Leben und Lernen in Kenia, Nakuru

Einstellung der Touristen

Sind sie schockiert über so viel Armut herrscht in einem Land, das sie zunächst als Urlaubsparadies sehen. Später lernen sie es besser kennen. Daraus entstehen viele private Beziehungen in Kenia und darüber hinaus Hilfsprojekte – zumeist im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes, ehrenamtlich und völlig unabhängig von staatlicher oder professioneller Entwicklungszusammenarbeit. Ob Kinderheime, Schulen oder Ausbildungsförderung – meist sind die Projekte an einen Ort gebunden oder an ein Thema sowohl in meinen Lebensmittelpunkt Baden als auch in der Heimatstadt Selb enagieren sich Menschen für Kenia.  

Der ehemalige ARD-Hörfunkkorrespondent Wim Dohrenbusch etwa findet, dass dringend etwas passieren muss in Sachen beruflicher Qualifikation. Deswegen gründete er Apamoyo e.V., um Jugendlichen das Erlernen eines Handwerks zu ermöglichen – und zwar so, dass sie später davon leben und tatsächlich etwas können. Deswegen wollen Dohrenbusch und seine Mitstreiter Talente finden, Starthilfe leisten, Eigeninitiative fördern, Verantwortung entwickeln und treffen damit einen Nerv. Denn berufliche Bildung gehört neuerdings auch zu den offiziellen Schwerpunkten deutscher Entwicklungshilfe, wie sie im Marshallplan von Gerd Müller skizziert ist. 

Doch mit den offiziellen Gebern haben die privaten Nichtregierungsorganisationen eher wenig Berührung. Eine Grundschullehrerin aus Limburg hat in Ukunda an der Südküste eine Schule aus dem Boden gestampft; ein mit Kenia verbundenes Paar betreibt ein kleines Kinderhilfswerk, das sich um Slum-Kinder in Kisumu in Nyanza kümmert. Eine Familie aus Köln hat nach einem beruflichen Aufenthalt in Kenia ihr Herz an das Land verloren und unterstützt jetzt ein großes Kinderheim in einem der Slums von Nairobi – ein Projekt, das schon vor mehr als 20 Jahren von den Deutschen Anja Faber und dem Korrespondentenpaar Dreckmann aus der Taufe gehoben wurde. 

Kaum überschaubar ist, was Ex-Expats außerhalb eines organisierten Rahmens ehemaligen Hausangestellten, Verwandten und Freunden in Kenia überweisen: Schulgeld, Rentenzuschuss, in der Krise eine Finanzspritze – die in dieser Form in Deutschland leider nicht steuerlich absetzbar ist – es dürften in der Summe Millionen Euro sein, die auf diesem Wege jedes Jahr nach Kenia fließen.  

Manche der privaten NGOs mobilisieren Prominente für die gute Sache, andere Freunde, Verwandte und Kollegen. Ihr Ziel ist es immer, unabhängig von der theoretischen Diskussion über Sinn oder Unsinn von Entwicklungshilfe, Menschen in Kenia effektiv zu helfen. Die hier angeführte Liste ist nur ein Anfang – vermutlich wäre es inzwischen sinnvoll, die ganzen privaten Initiativen würden sich vernetzen, zum Erfahrungsaustausch einerseits, andererseits auch, um gegenüber offiziellen Stellen in Kenia ein anderes Standing zu haben. Eine Garantie für die Qualität der geleisteten Arbeit der genannten Organisationen in Kenia kann der Autor allerdings nicht übernehmen.

Die Texte stammen vom Länderportal der GIZ, welches vom Netz genommen ist. Verfasser ist der Historiker und Journalist Stefan Ehlert. Die Urheber wurden informiert, dass auf meiner Tourismusseite zu Kenia die Inhalte veröffentlicht werden.